Seit einigen Wochen ist die Fuji X100T bei mir eingezogen. Sie beerbte die Olympus O-MD E-M1, deren Abschied ich mir nicht leicht gemacht habe, was ich ausführlich hier beschrieben habe. Letztlich schließt sich mit dem Kauf auch ein Kreis, denn bereits die Bilder der ersten X100 haben mir das Wasser in die Augen getrieben. Jahre später ist es nun soweit.
Die X100T hat bei mir einen klaren Auftrag: “Begleite mich an jedem Tag, erhalte mir die Freude an der Fotografie und bringe mich zu dem zurück, was Fotografie eigentlich ist: Sehen, Gestalten, Blende, Zeit und ISO. Versuche nicht, meine Vollformat-Canons zu ersetzen, sei nicht traurig, wenn Du etwas nicht kannst, du musst nicht alles können.”
Die X100T ist bei mir eingezogen, weil sie klein ist, eine tolle Bildqualität hat, mich radikal reduziert und mich nie in Zweifel stürzt, welches Linsen-Line-Up denn nun das richtige wäre. Die Kamera ist wie sie ist, sie hat einen deutlichen Abstand zu meiner 5DIII und meiner 6D, die Fronten sind geklärt: Fuji für den Spaß im Alltag, Canon für die Jobs. Diese Trennung war so bei der Olympus nicht klar, immer wieder stellte sich das Dilemma, dass die Olympus zwar in vielen Belangen ganz toll war, aber eben nicht in allen. Diese Frage ist nun entschieden und damit ist endlich Ruhe im Puff.
Immer wieder werfe ich die Fuji in die Tasche, mache mal hier und mal da ein Foto, nutze sie mal für ein Porträt-Shooting und begebe mich mit ihr auf Selbsterfahrungstrips: Mit wie wenig komme ich aus? 16 MP auf APS-C-Sensor, Festbrennweite 23mm (35mm KB), Rädchen für Zeit, Belichtungskorrektur und Blende am Gehäuse. Fertig. Für mich könnte man bis auf die ISO-Einstellung den Rest des Menüs löschen. Meine Reviews sind wie immer gnadenlos subjektiv, alle technischen Finessen und Daten könnt Ihr Euch im Netz anschauen, ich möchte hier nur Erfahrungen vermitteln, die ich in der Praxis gemacht habe und nicht stundenlang technische Features ausbreiten.
Die Optik sollte ja eigentlich bei der Auswahl der Kamera keine Rolle spielen, aber diese Kamera ist einfach unfassbar schön. Ich habe mich noch nie so auf eine Kamera gefreut, nachdem der Entschluss gefallen war, von Olympus auf die Fuji umzusteigen. Und als Fotograf soll man ja auch etwas Ästhet sein, insofern sei es gestattet, sich in diese kompakte Retro-Kamera zu verlieben. Meine 5DIII ist ein Arbeitsgerät: Ich schätze sie, aber ich habe keinerlei emotionale Bindung an sie. Mir ist völlig egal, wie sie aussieht, mir ist die Ergonomie wichtig, und was hinten rauskommt. Bei der Fuji baut sich doch eine Verbindung auf. Wenn sie mit ihrem deutlich zu teuren Ledergurt auf meinem Schreibtisch liegt, freut sich das Fotografenherz, sie macht Lust aufs Mitnehmen, Lust aufs Fotografieren und damit wird das Aussehen doch wieder zu einem Kriterium. Letztlich versuchen das alle Retro-Kameras, sei es von Olympus (PEN, OM-D), von Fuji (X-Pro2 oder X-T2) oder auch die DF von Nikon. Und ich finde, für ein Gerät, mit dem man im besten Falle Kunst machen möchte, ist das Design kein ganz unwichtiger Faktor. Letztlich beweist der ganze Retro-Trend für mich, dass die Ingenieure und Designer vor 60 und 100 Jahren keinen so schlechten Job gemacht haben. Und auch beim Fotografieren selbst spielt das Design dann doch eine gewissen Rolle: Ich habe inzwischen allerlei Shootings mit der Fuji gemacht und bisweilen bei meinen Protagonisten etwas ungläubiges Staunen ausgelöst. Sowas wie: “Ähm, hübsch ist die ja, aber macht die auch vernünftige Fotos?” klang doch immer etwas durch. Man braucht Selbstbewusstsein, um Menschen, die eine DSLR erwarten, mit dieser Art Kamera zu fotografieren. Andererseits wird die Kamera zur Nebensache beim Fotografieren, die Kommunikation läuft viel besser und das Model kann mit Dir und nicht mit dem Klotz vor Deinem Gesicht reden. Ich habe das schon an der Olympus gemocht, hier ist es noch extremer.
Für das Fotografieren relevanter ist allerdings die Haptik. Die Kamera ist klein, dafür verhältnismäßig gewichtig aber doch gewöhnungsbedürftig, wenn man vom Vollformat kommt. Was jedoch sensationell ist, ist die Wiederbelebung des “traditionellen” Bedienkonzeptes, die Blende am Objektiv und die Zeit durch ein Rädchen auf der Kameraschulter einzustellen. Wer die Abschaffung dieses Konzeptes mal als Fortschritt verkauft hat, gehört gesteinigt. Nichts ist so ergonomisch, wie dieses Prinzip. Mit Links die Blende am Objektiv verstellen, mit Rechts die Zeit am Rad, fertig ist der manuelle Modus (M). Mehr braucht kein Mensch. Steht eines der Rädchen auf A, wird der entsprechende Parameter automatisch, der andere manuell eingestellt, (also AV, bzw. TV) stehen beide auf A, ergibt das eine Vollautomatik. (P) Noch ein Rädchen für die Belichtungskorrektur und alles ist perfekt. Der Auslöser ist wieder einer, in den sich ein Drahtauslöser schrauben ließe und keine wackelige Plastikkappe. Es soll Nerds geben, die sich dafür einen einschraubbaren roten Button kaufen, um damit die Kamera zu pimpen… Für meinen Geschmack zu leichtgängig ist der der Ein/Aus-Schalter unter dem Auslöser. Da erwischt man schon mal den Knopf und schaltet die Kamera ungewollt ein.
Der Rest der Knöpfe orientiert sich am Layout anderer Kameras, einige lassen sich individuell belegen, ein Quickbutton führt zentral in wichtige Grundeinstellungen, deren Zusammenstellung man sich aussuchen kann, so dass man die für einen selber wichtigen Grundeinstellungen in diesem Bildschirm zusammenfassen kann. Da ich in RAW fotografieren, nutze ich eigentlich nur ISO, aber hier können zahlreiche Einstellungen für die JPEG-Komprimierung vorgenommen werden (Schatten, Lichter, Schärfe etc.) und die Fuji-typischen Filmsimulationen ausgewählt werden. Da diese nur auf die JPEG angewendet werden, sind sie für mich irrelevant. Wenn ich mal JPEG fotografiere, nehme ich die Standardeinstellung, alles andere ist mir zu speziell. Insbesondere die von vielen gerühmte Classic Chrome-Simulation empfinde ich als ausgesprochen hässlich, haut sie doch einen fiesen Kupferton auf das Bild und lässt die Schatten absaufen. Man könnte versucht sein, für Landschaften Velvia zu wählen und sich bei Porträts für Astia zu entscheiden, aber das muss jeder selbst entscheiden. In der Tat ganz hübsch ist die Möglichkeit, sich auf der Basis der Filmsimulationen und mit den Anpassungsmöglichkeiten von Schatten, Lichtern und Kontrast eigene “Sets” zu basteln. Ich habe mir so ein eigenes Set für Street-Fotografie gebastelt, da ich bei gelegentlichen Fotostreifzügen durch Hamburg dann doch keine RAWs mache und so sehr gute JPEGs nach meinem Geschmack aus der Fuji kommen. (Beipiele findet Ihr unten)
Wenn man wie ich eigentlich immer in RAW fotografiert, ist man dann doch überrascht, wie wenig man im jpeg noch anpassen kann. Man sollte dann wirklich sauber fotografieren, große Belichtungskorrekturen sind dann nicht mehr drin.
Eine Besonderheit der Fuji ist der vielgelobte Hybrid-Sucher, der sowohl ein elektronisches (EVF), als auch ein optisches (OVF) Sucherbild anzeigen kann. Die schlechte Nachricht vorweg: Dadurch sieht man sehr deutlich, wie weit weg ein elektronischer Sucher von einem optischen ist. Ein Griff zu dem kleinen Hebelchen an der Vorderseite und aus dem hellen, klaren optischen Sucher mit Leuchtrahmen wird ein -in meinen Augen- funzeliges, zittriges, künstliches Mäusekino. Allen Lobeshymnen zum Trotz: Diese Sucher haben mit einem Sucher nichts zu tun. Sie sind in den letzten Jahren sehr viel besser geworden, man kann mit ihnen gut arbeiten, ich mache das auch überwiegend, aber zu sagen, sie wären so gut, wie ein optischer Sucher oder gar besser, ist schlicht Bullshit. Solche Leute behaupten auch, eine DVD mit Kaminfeuer wäre das gleiche, wie ein Lagerfeuer. Kurz zusammengefasst: der EVF bietet mehr Informationen (Belichtungssimulation), der OVF das bessere Bild. Hat man stabile Lichtsituationen, kann man gut auf den OVF zurückgreifen, ein Leuchtrahmen weist einem den endgültigen Ausschnitt und die wichtigsten Parameter sind eingeblendet. Hat man eine Gegenlichtblende montiert, ragt diese unten rechts fröhlich in den Sucher, auch ohne sieht man dort den Objektivrand. Für mich ist die Option eines optischen Sucher ein klares Argument für die X100T oder auch die XPro2.
Die Bildqualität ist über jeden Zweifel erhaben, Schärfe und Farben sind toll, wenn auch etwas anders als an meinen Canons, manchmal finde ich die RAW etwas blass, aber das lässt sich anpassen. Immer wieder überrascht mich die Dynamik, die Kamera geht wirklich gut mit Helligkeitsunterschieden um. JPEG sind ab 3200 ISO etwas glattgebügelt, aber sehr gut verwendbar, RAW sogar auch bis 6400 sehr gut nutzbar. Der X-Trans-Sensor macht wirklich einen guten Job.
Der Autofokus ist schnell, hat 49 gleichmäßig und über die ganze Sensorfläche verteilte AF-Punkt, was mich etwas stört, dass man sich zwar ein Suchergitter nach der Drittelregel einblenden lassen kann, aber kein Autofokuspunkt auf den Schnittpunkten sitzt. Der AF-Punkt kann direkt über das Steuerkreuz verschoben werden, oder erst nach Drücken einer Taste. Da finden sich sowohl Nikon- als auch Canon-User wieder. Aber auch beim AF gibt es einen deutlichen Abstand zu meiner 5DIII. Schnelligkeit und Treffsicherheit sind sehr gut, aber nicht überragend. Gleiches gilt für den Continous-AF, der ok, aber weit entfernt von der 5DIII ist. Aber wie ich schon sagte: Sie muss nicht alles können.
Der Telekonverter, den ich mir noch zulegte, um im Porträtbereich etwas besser aufgestellt zu sein, ist großartig, er verlängert die KB-entsprechende Brennweite von 35 auf 50mm, ohne an der Lichtstärke von f2 etwas abzuknabbern. Mit 35 und 50mm ist man eigentlich für alles gerüstet, für mich wäre in Zukunft (X100F?) auch ein Layout denkbar, in dem die Kamera von Hause aus 50mm mitbringt und mit 2 Konvertern auf 35mm reduziert oder 85mm verlängert werden kann.
Die Kamera hat WLAN und im Zuge meines “Immer-dabei-Wunsches” nutze ich das auch. Ein Foto schnell aufs IPhone gezogen und schnell verschickt, macht immer wieder Freude und das wollen wir mit unseren Fotos ja auslösen. Die Fuji-App macht, was sie soll, allerdings ist es nervig, dass die WLAN-Verbindung jedesmal abgebaut wird, wenn man innerhalb der App eine neue Funktion wählt. (z.B. Wechsel zwischen Fernsteuerung und Bildimport).
Clever finde ich, dass man die Belichtungssteuerung an den ausgewählten Fokuspunkt koppeln kann, das haben nicht viele Kompakte. Dies ist nur eines von zahlreichen kleinen, gut gelösten Dingen, die ich an der Fuji mag. Dazu gehören die Gesichtserkennung, der absolute Ruhemodus ohne jedes Geräusch, Fokus-Peaking oder der Zentralverschluss im Objektiv, der hohe Blitzsynchronzeiten möglich macht. Der elektronische Verschluss löst bis 1/32.000 sek aus, der mechanische bis 1/4.000 sek, ein eingebauter ND-Filter bringt drei Blendenstufen. Gegenüber den überbordenden Menüs der Olympus, ist das Menü der X100T übersichtlich, einige Funktionen sind nicht ganz so ausgereift und differenziert, aber genau deswegen habe ich mir die Fuji gekauft. Reduzierung auf das Nötige und nicht Ausreizen des Möglichen. Aber was man braucht, ist vorhanden.
Video ist für mich ohne Belang, ich verstehe bis heute nicht, weshalb man das in Fotokameras einbaut. Ein Ärgernis bei allen Kameras mit EVF bzw. Display sind die unterirdischen Akkulaufzeiten. Da macht auch die kleine Fuji keine Ausnahme. Irgendetwas zwischen 250 und 350 Aufnahmen kann man erwarten, dann geht der Akku in die Knie. Für verwöhnte DSLR-Nutzer mit Batteriegriff natürlich eine Enttäuschung, die man aber erwarten kann und sollte.
Mein Fazit:
Wenn man der Kleinen eine faire Chance lässt und sie nicht mit den Anforderungen und Features einer DSLR konfrontiert, hat man eine sehr gute Alltagskamera mit überragender Bildqualität, einem tollen Bedienkonzept, Hingucker-Qualitäten und praktischen Kleinigkeiten, die einem im Alltag weiterhelfen.
Die Kamera ist wirklich eine gute Kamera für jeden Tag, sie kann dann auch Aufgaben bewältigen, für die man sonst seine DSLR nutzt, bei der vielleicht manches etwas besser und schneller geht, die aber meist zuhause liegt.
Ich merke, dass ich mit der Fuji mehr “nebenbei” fotografiere, wo ich früher die Kamera nicht dabei gehabt hätte, damit erweitert sich mein Themen-Spektrum, sie weckt Kreativität und macht Lust auf’s Fotografieren. Mir tut die klare Lücke zwischen ihr und meiner 5DIII gut, weil sie beiden Kameras ihren Platz zuweist. Ich kann die Fuji eindeutig empfehlen für alle, die mit der Reduzierung auf eine (bzw. mit Konvertern 3) Brennweite leben können, die Wert auf einen optischen Sucher legen und mit den Einschränkungen einer Messucherkamera leben können (Parallaxen-Fehler) oder eben auch mit dem EVF leben können, die Wert auf toller Ergebnisse auch unter schwierigen Bedingungen legen und sich auf das anfangs ungewohnte, aber letztlich sehr intuitive Bedienkonzept einlassen.
Hier nochmal eine Galerie mit einigen Schnappschüssen und Testaufnahmen, aus denen Ihr auch die EXIF-Daten entnehmen könnt. (klick macht groß…)
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