Gerade las ich bei facebook mal wieder eine Frage, welchem Fotografen man unbedingt folgen müsse, um sich weiter zu entwickeln. In diesem Falle sogar, welchem Fuji-Fotografen man folgen müsse. Und natürlich nannten gleich alle ihre Favoriten und Buddys. Im Zweifel also all die Leute, bei denen sie schon Workshops gemacht haben oder die inflationär in ihren eigenen sozialen Netzwerken auftauchen mit immer neuen Tutorials, “behind the scenes”, Interviews und anderen Beiträgen. Der arme Frager dürfte deutlich überfordert sein, all diese Seiten und Portfolios durchzuklicken und darin für sich eine Weiterentwicklung zu erkennen.
Ich schrieb besoffen vor Tiefsinn: „Follow your dreams“
Ich habe das Gefühl, ein nicht unerheblicher Teil von uns Fotografen ist offenbar permanent und verzweifelt auf der Suche nach Handschrift, Stil und Profil. Da werden Workshops und Mindclasses gebucht, man fliegt um den halben Globus, um den Gurus an den Lippen zu hängen. Und natürlich kauft man Presets, um dem eigenen „Braut-an-offener-Motorhaube“-Foto diesen zarten Schmelz und die tollen Farben zu verpassen, die man gerade bei Fotografin „Lighcatch Weddings“ gesehen hat und die offenbar gerade so wahnsinnig hip sind.
Ja, auch ich gehörte mal dazu und erwische mich noch heute ab und an dabei. Als alles neu war, ich mich ernsthaft mit Fotografie zu beschäftigen anfing, da hing ich im Netz herum, folgte, kommentierte, kaufte und presettete mich durch die Welt der Fotografie, insbesondere der Hochzeitsfotografie. Immer alles in der Hoffnung auf diese unfassbar geilen Bilder der anderen, die ich da sah. „Wie ist die Bearbeitung, was hat der benutzt, brauche ich das auch und wie sind die EXIF-Daten?“ Das waren wichtige Fragen. Ich wollte so sein, wie die. Aber versuche mal, ganz viele zu sein.
Eine Frage habe ich dabei komplett übersehen: Was sagen meine Kunden? Und ich selbst?
Heute weiß ich: Das ist die einzig entscheidende Frage. Wenn mein Kunde glücklich ist (und ich mit dem, was er mir dafür bezahlt), dann ist alles andere völlig wurscht. „Gut“ in einem objektiven Sinne gibt es nicht in der Fotografie: Du kannst mit 1200 Wattsekunden billige Flittchen in abgewrackten Kaschemmen auf den Sensor hämmern oder 27 Dedolights in 48 Winkeln auf die kunstvoll metallisierte Haut einer sich auf das Kanapee schmiegenden dunkelhäutigen Schönheit richten. Oder du setzt Lieschen Müller zum 1000 Mal in ein Rapsfeld. Völlig wurscht. Wenn Du und deine Kundin glücklich sind, ist alle palletti. Wenn Du der Kaschemmen-Typ bis, wird die feine Lichtsetzung dich nicht glücklich machen, wenn Du der fotografische Feingeist bist, der an jeder Hautpore Frequenztrennung macht, meide vielleicht das Rapsfeld.
Aber finde Dich und Deinen Stil!
Und dabei ist der Blick nach rechts und links meistens hinderlich: Du wirst in Deiner Wahrnehmung nie so gut, wie dein Vorbild, Kritik trifft Dich und wirft Dich zurück, Deine künstlerische Persönlichkeit wächst nicht. Du fotografierst immer an Deinem Wesen und Kern vorbei und bleibst unzufrieden. Vieles sieht toll aus, aber in der Vielzahl der Stile, die wir jeden Tag sehen, wird die Orientierung schwer, was man nur mag und was wirklich Teil des eigenen Stils sein oder werden kann. Wenn Du beim Fotografieren versuchst, Vorbilder zu imitieren, imitierst Du im besten Falle Vorbilder, im schlechtesten Falle übersiehst Du Deine eigene Handschrift, die vielleicht gerade vor Dir liegt und sich entwickeln könnte. Du schränkst Deine Kreativität ein, weil Du auf Dein Vorbild fixiert bist. Du siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht. Du bist nicht Du und bleibst hinter Deinen Möglichkeiten zurück.
Für mich gibt es genau zwei Fragen, wenn es um meine eigene fotografische Entwicklung geht: Sind meine Kunden zufrieden? Und bin ich zufrieden? Nur darauf sollte man sich in meinen Augen konzentrieren. Und erst, wenn ich genau weiß, warum und an welcher Stelle ich mit meiner Fotografie nicht zufrieden bin, was genau fehlt oder, was ich immer wieder falsch mache, dann kann ich mich gezielt an die Weiterentwicklung machen. Aber um das zu erkennen, muss ich mein Ding fotografieren und nicht die schlechte Kopie von jemand anderem sein.
Ich habe irgendwann gemerkt, dass in meiner Bildsprache Elemente waren, die ich schlicht nicht konnte. Ähnliche Bilder bei anderen sahen bei mir scheiße aus. Immer wieder. Bis ich aufhörte, sie zu machen. Dann wurde es besser.
Dieses „Ausmisten“ hat mir total geholfen. Ich bin längst nicht da, wo ich sein will, aber ich bin viel näher bei mir, seit ich in Shootings ohne Schere hineingehe, „irgendetwas heute mal wirklich“ machen zu wollen. Ich lasse mich durch Shootings heute treiben, versuche, wach zu sein, Licht zu sehen, Bilder zu erkennen und schöne Bewegungen aus dem Augenwinkel zu erfassen. Ich versuche, mein eigenes fotografisches Herz schlagen zu hören und mich von allen Vorbildern und Zwängen frei zu machen. Die anderen machen andere tolle Fotos, ich mache meine tollen Fotos.
Ja, ich schaue auch viele Bilder an, ich mache sogar Workshops (auch wenn ich hier einen provokanten Rant gegen sie geschrieben habe). Das ist aber mehr ein flüchtiges Blättern, um meine eigene Kreativität zu füttern und zu trainieren. So wie Informationen aus der Zeitung nur der eigenen Meinungsfindung dienen und nicht der schlichten Übernahme. Aber ich „folge“ keinen Fotografen, weil ich weiß, dass folgen immer „hinterherlaufen“ bedeutet. Workshops mache ich, wenn ich einen ganz gezielten Schritt machen möchte, der anders nicht möglich ist oder wenn ich einfach Bock habe, mich mit Kollegen auszutauschen. Denn natürlich gehört solides Wissen zur Grundlage der Fotografie.
Wir treten unseren Kunden gegenüber auf als Handwerker und Kreative, die wissen, was sie tun und eine eigene künstlerische Persönlichkeit haben. Darauf vertrauen unsere Kunden, die sich in unsere Hände und vor unsere Linsen begeben. Wir sollten also nicht selbst Suchende sein, sondern selbst Orientierung vermitteln könne, damit unsere Kunden sich in guten Händen fühlen. Und die ganzen Fragen bei facebook oder sonstwo zeigen bisweilen eine totale Hilflosigkeit in allen Fragen: Wie viele Bilder liefert Ihr ab? Wieviel schwarz/weiß und wieviel Farbe macht Ihr? Welche Presets benutzt Ihr? Brauche ich ein Ultraweitwinkel? Kann man Porträts auch im Querformat machen?
Also: Scheiß auf die Gurus, folge keinen Trends, lass Dich nicht beirren, sondern frage nur Dich selbst: Bin ich glücklich mit meine Fotos? Und zeige Deiner Arbeit aber auch Deinen Kunden Respekt. Versuche, Ihnen Dein Bestes zu geben, sei kritisch und kaschiere Unfähigkeit und Fehler nicht als „Handschrift!“ Aber folge Dir und nicht den anderen. Auch nicht mir.
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