Die Taschen- und Gurte-Sucht von Fotografen ist legendär und ernährt eine ganze Industrie ausgezeichnet. Unser teures Equipment wollen wir stilecht und praktisch an und bei uns tragen und können uns in der Frage, welche Tasche oder welcher Gurt der richtige sei, stundenlange facebook-Diskussionen liefern.
Als Hochzeitsfotograf habe ich Situationen, in denen ich mit zwei Kameras arbeite, auf die ich unterschiedliche Optiken geschnallt habe: Links die 5DMarkIII mit dem 85 1.4, rechts die 6D mit dem 35 1.4, beide Kameras mit Hochformatgriff. Eigentlich ist das schon mein ganzes Equipment, aber das hätte ich dann gerne auch irgendwie griffbereit, vor allem auch, wenn man beim Paarshooting ein wenig unterwegs ist uind der Koffer mit dem Rest unerreichbar im Auto liegt
Ich habe alles ausprobiert: Doppelgurt Sun Sniper von California Sunbounce, Spider Holster mit Wild-West-Optik, einfache Gurte, gar keine Gurte. Für das Geld hätte ich mir manche schöne Linse kaufen können. Warum habe ich das alles verworfen?
Der Sun-Sniper von California Sunbounce: Man sieht aus wie ein GI im Afghanistan-Einsatz: Fette Schulterpolster, ein Brustriemen und an den Seiten die Kameras wie schwere Waffen. Es fehlt eigentlich noch die Tarnweste und der Stahlhelm. Beim Probeshooting ist mir das ja noch egal gewesen, aber auf der Hochzeit? In der Kirche? Wie Rambo durch den Altarraum? Neben der Optik ist das größte Problem des Sun-Sniper, dass das Schulterpolster jedes Mal verrutscht, wenn man die Kamera vor das Auge zieht. Beim Einzelgurt ist es eine Vollkatastrophe, der doppelte hält aufgrund des Brustgurtes etwas besser. Aber irgendwie hängt das Polster mal auf dem Rücken oder vor dem Bauch, es bleibt jedoch nie auf der Schulter, wo es hingehört.
Der Spider-Holster ist eine feine, aber ganz andere Idee: Man trägt die Kamera in einer Metallschiene auf der Hüfte, gehalten wir die Kamera von einem massiven Metallstift, der in die Schiene gleitet und einrastet. Gehalten wird alles durch einen breiten und bequemen Hüftgurt. Wer sich daran gewöhnt, seine Kamera einem kleinen Metall-Pinökel anzuvertrauen und diesen richtig einzurasten, hat hier eine gute Lösung, eine Kamera am Mann (oder der Frau) und eine in der Hand zu haben. Der Wechsel geht schnell. Aber auch hier zwei Nachteile: Wieder sieht man wie ein Waffenheld aus, diesmal nicht Afghanistan, sondern Wild Wild West: Die Kamera hängt wie ein Revolver an der Seite, durch die Saloon-Tür traut sich niemand mehr, denn drinnen sitzt Photo-Jesse mit seiner Kanone im Anschlag. Zum zweiten wird man breiter (bei meiner Figur muss ich ehrlicherweise schreiben “noch breiter”). Man muss die zusätzlichen 15-20 cm an der Seite wirklich einplanen, sonst rennt man ständig mit der Kamera irgendwo gegen. Enge Türen, Kirchenbänke oder Menschenansammlungen (die bei Hochzeiten ja vorkommen sollen) sind absolute “Danger-Zones”.
Lange Rede, gar kein Sinn: Alles nicht das Gelbe vom Ei. Auf der Suche nach Alternativen stieß ich auf den Holdfast Moneymaker. Ein Doppel-Ledergurt für 2 Kameras in Hosenträgeroptik. Stilvoll, teuer, aber auch praktisch? Der Gurt kommt aus den USA und war seinerzeit in Deutschland nicht erhältlich und mit rd. 200 $ auch nicht wirklich günstig. Aber dann stieß ich auf den Kamerahalfter von Michael. Er ist selbst Hochzeitsfotograf und hat den Moneymaker einfach kopiert weiterentwickelt und vertreibt ihn nun in Deutschland. Der Gurt ist nochmal teurer und für mich ehrlich gesagt auch echt an der Schmerzgrenze: Meiner hat 259,- € gekostet, dafür bekomme ich schon ein feines Porträtobjektiv mit Lichtstärke 1.8 für meine Olympus EM-1. Lohnt sich das? Ja!
Der Gurt ist sensationell gut verarbeitet. Das feste Leder ist super vernäht, kein Fädchen flattert, die Kanten sind geschliffen und geölt, die Schnallen sind massiv und wertig, kurzum: ein Stück zum Vererben. Es gibt unzählige Ledersorten bei Michael, den Gurt selbst in drei verschiedenen Längen und die auf dem Gurt laufenden Schieber, an denen die Kamera befestigt wird, ebenfalls in verschiedenen Längen. Der Gurt kommt mit zwei kurzen und einem langen Schieber, letzerer ist für die Befestigung an der Stativschelle von Teleoptiken gedacht. Der größte Nachteil der oben beschriebenen Lösungen ist gleichzeitig der größte Vorteil des Kamerahalfters: Die Optik. Über dem Hemd getragen, sieht der Gurt aus wie ein paar edle, handgemachte, englische Hosenträger. Da der Gurt enger um den Körper läuft und die Kameras an den extra angebrachten Schiebern hängen, baumeln diese weiter hinten, sozusagen am Arsch verlängerten Rücken. Hat man die Hände in den Hosentaschen und lehnt irgendwo am Baum, sieht man die Kameras fast gar nicht.
Der Gurt verzichtet auf Polster, das Leder ist nach einer Weile so weich und der Gurt so breit und die Kanten so sauber, dass man ihn wirklich auch mit schweren Kameras den ganzen Tag gut tragen kann. Dadurch passt er auch unter ein Jackett oder eine Jacke. Trotzdem kann man bei geöffneter Jacke die Kamera problemlos nach vorne ziehen.
Die Kamera wird von einem Karabiner gehalten, dessen Form man aus dem Reitsport oder von Hundeleinen kennt. An der Stabilität besteht keinerlei Zweifel, ich hatte anfangs etwas Angst, mit dem Öffnungshebel mal irgendwo gegenzukommen und meine Kamera aus Versehen “auszuklinken”. Bisher ist das noch nicht passiert, man muss den Karabiner auch wirklich zu 100% öffnen, um die Kamera zu lösen. Hoffen wir, dass das so bleibt.
Einige Kritikpunkte Verbesserungsvorschläge habe ich natürlich auch:
Für mich war der Gurt anfangs zu “klein”. Er passt zwar gut an den Körper (wenn auch in der weitesten Einstellung), aber ich bekam die linke Kamera nur mit Mühe bis hoch ans Auge, vor allem im Hochformat: der Befestigungspunkt (Stativgewinde) befindet sich dann auf der dem Gurt abgewandten rechten Seite, der Schieber muss sozusagen um die halbe Kamera herumreichen, durch den Batteriegriff wurde dieser Weg nochmal länger. Zu lang. Ich habe mir bei Michael deswegen einen längeren Schieber bestellt, um mehr Luft zu haben. (Hatte ich erwähnt, dass 259,- € meine absolute Schmerzgrenze waren?)
Die Schieber liefen anfangs auf D-Ringen am Gurt, was den Gurt langsam rund formt und die Kanten extrem belastet. Hier hat Michael bereits eine neue Version mit rechteckigen Ösen entwickelt, die den Gurt schonen und ihn nicht rundbiegen. Für alte Gurte gibt es ein Upgrade, wo für kleines Geld die Ringe getauscht werden. Ich habe das bei mir machen lassen. (Hatte ich erwähnt, dass 259,- € meine absolute Schmerzgrenze waren?)
Der Karabiner braucht an der Kamera ein Gegenstück, Michael empfiehlt die Gurtadapter von Blackrapid. Man kann diese inzwischen bei ihm mitbestellen, ich musste sie noch separat ordern. (Hatte ich erwähnt, dass 259,- € meine absolute Schmerzgrenze waren?) Es gibt von Blackrapid auch Adapter aus Kunststoff, die weniger klappern als Metall auf Metall. Leider haben diese einen zu kleinen Durchmesser für den massiven Karabiner des Halfters. Umsonst bestellt (Hatte ich erwähnt, dass 259,- € meine absolute Schmerzgrenze waren?)
Der Erfolg ist offenbar groß, Michael hat inzwischen einen eigenen Shop dafür eingerichtet, in dem auch die Schieber einzeln bestellt werden können. Großartig ist der Service von Michael. Mein Genöle Fragen wegen zu kurzer Schieber hat er immer sofort beantwortet und faire Vorschläge gemacht, wie wir das Problem lösen können. Meine Gedanken über die etwas blöden D-Ringe musste ich gar nicht äußern, da war schon die neue Version samt Upgrade-Option im Shop erhältlich. Und natürlich ist es großartig, dass ich mir einen Schieber machen lassen kann, der von der Norm abweicht. Da die Gurte in Deutschland gefertigt werden und Michael das steuern kann, ist hier ein Individualisierungsgrad möglich, der ihn sicherlich fast wahnsinnig macht, der jeden Sonderwunsch berücksichtigen kann. Im Shop sind inzwischen sehr verschiedene Versionen erhältlich, für kleine und große Kameras, einfach und doppelt, kurzum: Jeder sollte dort glücklich werden.
Am Ende hat mich mein Gurt rund 350,- € gekostet. Fast so viel wie meine Compagnon-Fototasche aus Büffelleder (Review ist inzwischen fertig…). Lohnt sich das? Ich weiß es nicht. Für mich ja, denn ich freue mich über gutes Handwerk, ich mag den Geruch von Leder, ich nutze gerne wertige Dinge und bin bereit, für Handarbeit auch Geld zu bezahlen. Letztlich ist der Gurt auch ein Ausdruck meiner eigenen Arbeitsweise: Wertig, dezent, handwerklich gut. Vielleicht bilde ich mir das ein, aber meine Kunden sehen das unbewusst. Mit einem Sunsniper-Doppelgurt sehen sie einen anderen Fotografen in mir, als mit dem Kamerhalfter aus schönem Leder. Vermutlich heißt deswegen auch das amerikanische Original die amerikanische Kopie “Moneymaker”. Vielleicht kostet mein Gurt deswegen inzwischen auch 329,- €, allerdings auch mit den neuen, verbesserten Schiebern.
Nachsatz: Ich habe meinen Gurt komplet selbst bezahlt und von Michael keinerlei Vorteile für das Verfassen dieses Reviews erhalten. Ich hatte den Gurt jetzt auf knapp 10 Hochzeiten im Einsatz und beschreibe hier meine eigenen Eindrücke. Hier noch ein paar Fotos von dem Gurt an meinem stahlhart durchtrainierten Alabasterkörper
Marceli
Februar 23, 2016
Hi, toller beitrag. Recherchiere schon länger nach diesem Kameragurt ( HoldFaster, Kamerahalfter). Weiß nur nicht für welchen ich mich entscheiden soll! Welche Farbe hast du da gewählt? Ist das das schlichte braun oder Antilopen braun? Wie siehst du die Abfärbung an der Kleidung beim schwitzen…? Sind weiß Hemden tabu ??? Hast du den MoneyMaker auch schon in der Hand gehabt zum Vergleich?
Gruß
Matthias
Februar 24, 2016
Moin aus Hamburg,
also, meiner ist glaube ich tatsächlich “antelope brown” und er färbt nicht, zumindest ist mir das trotz starken Schwitzens bisher nicht aufgefallen. Ich hatte den Moneymaker nie in der Hand, mir fiel nur auf den Bildern auf, dass dieser genietet ist, während der Kamerahalfter durchegend vernäht ist, was ich persönlich schöner finde. Ich bin nach wie vor sehr zufrieden mit dem Gurt.
Liebe Grüße, Matthias